Donnerstag, 27. Juni 2013

Gleich ist doch anders

Foto: ReinerSturm / pixelio.de
Die katholische Fanszene der Charismenorientierung hat neuerdings die gemeinsame Taufwürde als Ausgangspunkt pastoraler Kompetenz entdeckt und versucht sie als "alternativloses" und im Prinzip immer schon gültiges Prinzip einer neuen Kirchenentwicklung zu systematisieren. Auch der Papst hat die daraus abgeleitete Gleichheit aller entdeckt und versteht sich selbst als Gleicher unter Gleichen. Doch am Ende ist gleich eben doch anders.

Von Peter Otten

"Franziskus, 76, Papst, beansprucht für sich keine Sonderstellung. Bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz sagte er vor 70 000 Menschen: 'Wir sind alle gleich. Und wenn einer kommt und sagt: Herr Papst, Sie haben doch nicht den gleichen Rang wie wir, dann sage ich: Doch, den habe ich.' Die Menge reagierte mit Jubel."  (Quelle: Süddeutsche Zeitung, 27. Juni, S.10)

Vor einigen Jahren wurde in der Pfarrei eine Frau tot aufgefunden. Die Famile, die unter Schock stand, rief in ihrer Not die evangelische Jugendleiterein. Sie war die erste Ansprechperson, weil die Tochter Leiterin in der ökumenischen Sommerferienfreizeit war. Die evangelische Jugendleiterin verständigte den Pastoralreferenten, weil sie eben Kollegen waren und einander blind vertrauten. Gemeinsam fuhren sie zu dem Haus, in dem die Kriminalpolizei gerade mit den Untersuchungen fertig geworden war (und die Todesursache nie feststellen konnten). Sie sie nahmen die Tochter in den Arm, sie bugsierten den hysterischen Vater in die Arme seiner Verwandtschaft, sie sorgten dafür, dass es etwas zu essen gab, dass Kaffee gekocht wurde, schwiegen und hielten Hände. Sie organisierten die nächsten Stunden und die folgenden Tage und versuchten, den Alltag wieder in Gang zu bringen - denn in Schocksituationen ist es wichtig, Normalität herzustellen und an die normalen Dinge zu denken. 

Dann kamen die Vorbereitungen zur Beerdigung. Und er Pfarrer sagte zum Pastoralreferenten: Mach du die Beerdigung. Du kennst die Familie, die Tochter ist bei euch Leiterin - wenn ich da reingehe, sagte er, und jetzt kommts: das ist doch Kitsch. 


Und der Pastoralreferent machte seine erste Beerdigung, der noch weitere folgten, bei denen es Bezüge zu seiner Arbeit gab. Es war schlicht stets sachlich geboten, das zu tun, was nicht seinem Rang entsprach. Doch darüber wurde nie gesprochen, darüber, dass es streng genommen eine Kompetenzüberschreitung war. Ungehorsam womöglich. Sicherlich. Es wurde nicht darüber gesprochen, weil es eine stille Übereinstimmung gab, dass dies schlicht richtig war. Heute würden andere vielleicht sagen: Es war recourcenorientiertes Arbeiten. Es war das schlaue Einsatz von Charismen. Man könnte gar auf die Idee kommen fromm zu sagen: es war evangeliumsgemäßes Tun. Man kann aber auch einfach denken: Es war richtig, weil es gepasst hat, weil es angemessen war. Das taten sie. Und dieser eher sachliche Gedanke ist womöglich sogar der sympatischere. 

Die stille Übereinstimmung der beiden überwand eine Schwierigkeit, die vorgestern noch eine riesige Schwierigkeit war und heute, Papst hin oder her noch immer eine ist: Richtige Dinge, die womöglich dem Evangelium entsprechen nicht zu tun, weil ein unterschiedlicher Rang es in arbeitsrechtlicher, aber auch theologischer Hinsicht verbietet.
 

Und nun sagt der Papst: Ich habe keinen anderen Rang als du. Und erntet Applaus. Und man liest automatisch mit: niemand steht wegen seines Geschlechtes oder wegen seiner Weihe über einem oder einer anderen. Nicht nur der Papst. Ganz paulinisch ernst ist dieser franziskanische Sound: Es gibt nur noch freie gleiche Menschen. 

Jede oder jeder, der oder die mal ein theologisches Examen gemacht hat, ja, sogar jede oder jede, die heute durch das einigen Zeitungen beiliegende private Magazin Credo durchblättert weiß: Der Papst hat nicht Recht. Natürlich hat er einen anderen Rang. Einen anderen Stand. Durch seine Weihe ist er dem Wesen nach janders als ein Getaufter oder eine Getaufte - gleiche Taufwürde hin oder her. Und würde jemand versuchen, ein wenig päpstlich zu sein wie ein Papst oder ein wenig priesterlich wie ein Priester, und würde er auch aus tiefer jesuanischer Überzeugung so handeln und verwiese er auch auf den Satz des Papstes und auf den brandenden Applaus - allein: das würde ihm, erst recht ihr nichts nützen. 

Der Satz: Christen sind durch eine gemeinsame Taufwürde alle gleich! ist gerade in der charismenorientieren katholischen Fanszene sehr en vogue und wirkt auf viele wie eine Art euphorisierende Droge. Die Realität ist eine andere und wird auch, soweit man sehen kann - Charismenorientierung hin oder her - eine andere bleiben, denn das männliche Weiheamt wird das Controlling - selbstverständlich als Dienstfunktion - nicht zur Disposition stellen (können, würde es immer sagen). Würde man die Idee der gemeinsamen Taufwürde und der Charismenorientierung ernst nehmen, dürften Frauen ihrer Priesterinnenberufung, die sie zweifelsohne von Gott geschenkt bekommen haben endlich leben. Dürften Menschen Menschen trösten und zu Grabe tragen, wie sie können. Denn Charismenorientierung heißt doch letztlich: Jeder und jede, was er/sie kann. Jeder und jede das, was Gott ihr oder ihm zutraut. Vielleicht hat der Papst genau das gemeint. Sicher ist es nicht. Und dass es so kommt höchst unwahrscheinlich. Denn katholisch gesehen ist  "gleich" am Ende doch vor allem eins: ganz schön anders.

2 Kommentare:

  1. Die Gegenthese findet sich dann bei Fr. Kuby: Der Priester, wesensverwandelt (!) auf ewig - nicht auf Lebenszeit, führt uns zur Ewigkeit; sein Hände wandeln Brot und Wein; er ist gerufen die unsichtbare Welt sichtbar und greifbar für uns zu machen. Siehe dort: http://www.katholisch.de/de/katholisch/themen/katholisch_de_blog.php
    Das ist mal ein Auftrag!

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  2. Streng genommen gibt Frau Kuby aber nur geltende kirchliche Lehre wieder. Auch in Lumen Gentium heißt es: "Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das Priestertum des Dienstes, das heiβt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloβ dem Grade nach." Da hast du deine Wesensverwandlung; auch der Kölner Kardinal betont das ja, wo er geht und steht. Meines Erachtens ist man unredlich, wenn man dies verschweigt und so tut als seien alle gleich.

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