Foto: Peter Otten |
Dass sich der Eindruck über Jahre tatsächlich verfestigt hat - dieser Schaden ist geblieben. Daran geglaubt, den Betreibern ein Ende bereiten zu können, das hat letztlich der der Bruno-Gmünder-Verlag. Die Bischöfe hingegen - leider - nicht. So unterblieb eine diesbezügliche Unterstützungsanfrage nach allem, was man bislang weiß. Das dies eine Fehleinschätzung war, ist seit gestern klar - unabhängig davon, ob die Internetseite irgendwann in einem neuen Gewand zurückkehrt.
Diese Aussicht ist möglich und nicht unwahrscheinlich. Denn mit dem Abschalten einer Internetseite sind rechtsextremistische, antijüdische und menschenfeindliche Gedanken innerhalb des katholischen Spektrums nicht gleich mit abgeschaltet. Beim Fall von kreuz.net werde auch die gegenwärtige Misere der katholischen Kirche erkennbar, die an "zunehmender Polarisierung und Radikalisierung interner Richtungsstreitigkeiten" leide, so Joachim Frank in der Frankfurter Rundschau: "Der Fall des Pfarrers Jolie, der ein Portal wie kreuz.net als legitimen Austragungsort des Konflikts betrachtete, ist weniger die peinliche Entgleisung eines Einzelnen als ein Symptom der Krise. Mit gewissen Abstrichen an der Gehässigkeit von Gedanken und Formulierungen findet sich eine erhebliche Zahl „konservativer“ Katholiken in Jolies Kampf gegen Sittenverfall, Liberalisierung und „Protestantisierung“ ihrer Kirche wieder. Das wissen auch die Bischöfe. Durch ihre Reihen laufen die gleichen Frontlinien und Risse."
"Es war durchaus schwer, dieser Sprache gelegentlich nicht zu erliegen", so der Publizist Peter Winnemöller über die offensichtliche Faszination, die kreuz.net auf nicht wenige KatholikInnen ausübte. Vielleicht sind sie der Ansicht sind, die - unbestrittene - Radikalität des Evangeliums äußere sich vor allem in einer Radikalisierung von Institution und Ideologie in einer Abgrenzung zu allem, was dem vermeintlich widerspricht. Doch keine Religion, auch nicht die katholische, kann wie eine Versicherung sein. Die biblischen Geschichten sind keine Versicherungspolicen, sondern Geschichten, in den Menschen von ihren Erfahrungen mit Gott erzählen und sie reflektieren. Der Glaube ist eben kein Für-Wahr-Halten von Lehrsätzen, sondern Lebensvollzug.
So ist das Verschwinden von kreuz.net ausgerechnet zu Beginn des neuen Kirchenjahres in der Tat auch eine Gelegenheit, über das religiöse Sprechen an sich nachzudenken. Advent und Weihnachten bezeugen jedenfalls in außerordentlicher Weise, dass Gott ein Kulturoptimist ist, weil er sich und seine Existenz mit ihr verbindet, weil er sich selbst aus der Kultur heraus erfahren und verstehen lässt. Und so ist der Befund, dass zu Beginn des Advents ein Berliner Verlag dazu beiträgt, kreuz.net stillzulegen und den KatholikInnen eine schöne Bescherung zu bereiten, eine besonders schöne Pointe von Gottes Kulturoptimismus. Gott offenbart damit passend zu Advent und Weihnachten eine Weite, die radikaler und auch eíndeutiger ist, als es aggressives ausgrenzendes Abwehrgeschrei je für möglich halten würde.
Eine wunderbar adventliche Deutung der aktuellen Ereignisse um kreuz.net. Bravo!
AntwortenLöschenIn derSache: gut
Löschenetwas wortreich, zeitraubend zu lesen
Gott: zu antropomorph, ist das Humor?