Freitag, 24. August 2012

Privilegien

Foto: Peter Otten
Zugegeben: Etwas schuldbewusst haben wir in den letzten Tagen unser günstiges Jobticket aus der - sagt man eigentlich noch: Brieftasche? - gefingert. Immerhin weist es uns als Inhaber von Privilegien aus: Wir haben einen Job. Und wir haben quasi Vielfahrerstatus bei der KVB (für Unkundige: Hinter diesem Kürzel verbergen sich die Kölner-Verkehrs-Betriebe). Jedenfalls war es uns ziemlich unangenehm zu beobachten, wie die Frau mit Kinderwagen hektisch ihre Tasche nach dem Billett durchwühlte - unter den strengen Blicken des KVB-Kontrolleurs - während man selber versuchte, das Plastikticket möglichst lässig zwischen Zeige- und Mittelfinger zu halten. Auch beim Friseur durchzuckte es uns an der Kasse bei der Frage: "Haben Sie ein Kärtchen?" Klar, haben wir, und das Kärtchen ist auch schon ziemlich voll gestempelt. Zwei Friseurgänge noch - und dann gibts einen umsonst. Und als wir an der Brottheke nach unserer Brotkarte gefragt wurden, waren wir einen Sekundenbruchteil versucht zu lügen und den Besitz dieses Dokuments, das dazu ermächtigt, nach dem Kauf von zehn Broten aus dem Sortiment der Bäckerei eines gratis aussuchen zu dürfen zu leugen (wir schwankten bislang immer zwischen einem Schweizer Baguette und einem französischen "pain provencale"). 

Denn die Privilegien werden uns zunehmend unangenehm.

Sie sind eine Bürde. Wir wollen nämlich kein Snob oder so etwas werden oder gar in eine Neiddebatte verwickelt. Und von daher können wir gut verstehen, wie misslich sich ein Bischof und ein Generalvikar fühlen müssen: Der eine ist in den Augen seiner Fluggesellschaft ein "Frequent Traveller", dass wir nach langem Überlegen mal mit "beständiger Reisender" übersetzen wollen. Ein durchaus passender Ausdruck für jemanden, der als Bischof beständig hinter seinen Schäfchen her reist. Ein beständiger Reisender wird man mit 35.000 gesammelten Stausmeilen. Dann kommt man zum Beispiel beim Einchecken schneller dran und darf 40 kg Gepäck mitnehmen. Der andere hat den "Senator-Status". Hier beeindruckt uns, dass man diesen auch ohne des erneute Erreichen von 130.000 Meilen gegen eine Jahresgebühr von 2000 Euro verlängern kann. Praktisch. Damit kennen wir uns in Köln aus, denn hier ist gewissermaßen jeder Mann über 60 aufgrund der unübersehbaren Vielzahl an Karnevalsgesellschaften ein Ehrensenator. Vorausgesetzt, er hat eine entsprechende Brieftasche, wo nicht nur ein Jobticket drin ist. Darüber gibts nur noch den HON-Status. Leider ist es uns bislang nicht gelungen diese Abkürzung zu entschlüsseln, vielleicht hat ja jemand von den Lesern diesen HON-Status und kann Auskunft geben. Eigentlich reicht uns aber schon, was einer im Internet schrieb: "Ein HON-Kunde wohnt praktisch im Flugzeug."
 

Ehrlich, das wünschen wir jetzt niemandem, keinem Bischof, nicht mal Guido Westerwelle. Andererseits verstehen wir es schon, wenn die zwei, der Bischof und der Generalvikar sich nachts heimlich im Flugzeug aus der Holz- in die erste Klasse schleichen (obwohl: Hatte der Bischof am letzten Weihnachtsfest nicht gesagt, Krippe, Kirche und Kreuz seien aus demselben Holz?). Wie auch immer: Irgendwo muss man seine Privilegien, die einem aufgedrängt werden ja verbrauchen. Dabei war die Reise nach Indien noch nicht mal ein Privileg, sondern harte Arbeit, wie Hans Zippert heute in der "Welt" feststellt. Grund der geistlichen Reise sei nämlich die Besichtigung der schrecklichen Armut in Indien gewesen. "Dazu war es dringend erforderlich, dass der Bischof in der ersten Klasse reiste, denn so wurden ihm die Gegensätze umso drastischer vor Augen geführt." Denn: "Indien ist ein größtenteils sehr schlecht klimatisiertes Land, in dem es noch mehr Klassen gibt als in einem Flugzeug der Lufthansa."
 

Wir selber wollen jedenfalls in Zukunft unser Jobticket nur noch nachts benutzen, wenn die KVB leer ist. Wir wollen keinen Anlass für Neiddebatten liefern. Aber beim Friseur bezahlen wir, weil die Dinge auf dem Kopf nun mal so sind wie sie sind inzwischen den Rentnertarif. So oder so. Da können wir persönlich nichts für, ehrlich.

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