Dienstag, 10. Juli 2012

Schiller und die Hirtenjungs

Foto: Peter Otten
"Weil Gott", so schreibt Friedrich Schiller in seinem Drama Die Jungfrau von Orleans, "mit reicher Schönheit ihren Leib geschmückt, mit hohen Wundergaben sie gesegnet vor allen Hirtenmädchen dieses Tals, so nährt sie sündgen Hochmut in dem Herzen, und Hochmut ist´s, wodurch die Engel fielen."

Vielleicht würde Schiller, säße er heute an diesem Stück, im Schreiben dieser Verse auch an die Hirtenjungs denken, aber dabei weniger an diejenigen, die auch heute noch blökende Schafe zum Beispiel an den Rheinufern entlang treiben. Sondern an die Hirtenjungs desjenigen Typs, über die der Katechismus der katholischen Kirche sagt: "Wer das Weihesakrament empfängt, wird geweiht, im Namen Christi „die Kirche durch das Wort und die Gnade Gottes zu weiden“. Dabei würde er vermutlich weniger über ihre Schönheit sinnieren, womöglich aber doch über ihre Wundergaben, mit denen sie sich ausgestattet und, ja, irgendwie auch geschmückt wähnen. Was damit zum Beispiel gemeint ist, lässt sich gerade in der Slowakei studieren.


Dort wurde vor knapp einer Woche der noch sehr junge Erzbischof von Trnava, Robert Bezak durch Papst Benedikt XVI. abgesetzt - ohne Angaben von Gründen, wie es hieß. Zwar wurde über mögliche Gründe viel spekuliert (Vatileaks, Glasnost und Perestroika, böser Vorgänger, Geldwäsche, ausgewechselte Türschlösser), aber eben nichts bekannt. Macht nichts, sagte nun der Vorsitzende der slowakischen Bischofskonferenz Jozef Kovacik. Mehr noch: Hirten brauchen nichts zu begründen, wo kämen wir denn da hin. Die Menschen seien "hauptsächlich aufgrund der Medien überzeugt, ein Recht auf alle Informationen zu haben" (Pause, denn dieses Argument braucht Zeit). Dies sei jedoch "eine irrige Ansicht". Weil: Der Papst sei nämlich niemandem Rechenschaft schuldig, und (jetzt folgt der für Friedrich Schiller interessante Teil) seine wohlüberlegten Entscheidungen seien nicht in Frage zu stellen (weil: Hirtenjungs mit hohen Wundergaben).
 

Verhaltenspsychologen beschreiben übrigens die Arroganz (so nennen moderne Menschen den noch von den Gebrüdern Grimm mit einem vornehmen "th" versehenen Hochmuth) als eine "Distanz aus Unsicherheit". Das kennen viele aus eigener Anschauung: zum Beispiel der, der müde in den Bergen unterwegs ist und dessen Schritte unsicher werden. Dann hält man besser ein bisschen Distanz zu Mitwandernden, einfach deswegen, damit man sie im Falle des Stolperns nicht mit in den Abgrund reißt. Die Arroganz der Hirtenjungs, so lernen wir an diesem einfachen Beispiel, dient also letztlich dem Schutz der Schafe und ist damit aktive Fürsorge.

Dann haben wir das jetzt auch verstanden, danke. Und müssen Schiller dahingehend milde korrigieren, dass Hochmut keine Sünde ist, sondern streng genommen ein Segen. Deswegen spricht der Katechismus der katholischen Kirche ja auch nicht (mehr) vom Hochmut als einer Sünde wider dem Nächsten sondern vom Stolz. Und deswegen enden unsere Überlegungen hier. Wir würden jetzt gerne zeigen, wie stolz wir auf die Hirtenjungs sind. Aber wir wollen ja nicht übermütig sein.

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