Foto: Peter Otten |
Vielleicht steckt hinter der etwas bedrohlich klingenden Formulierung Mosebachs ein Bild, das übersetzt so lauten könnte: Der fördert das soziale Klima, der das Denkgebäude des anderen - und sei es auch ein Denkgebäude, das auf Transzendenz errichtet ist - zu erkunden bereit ist. Oder anders gesagt: Der fördert das soziale Klima, der es interessant und anregend findet, über Gott zu sprechen. In Mosebachs Gedanken über Blasphemie steckt also umgekehrt auch die Aufforderung zum kultivierten Sprechen von und über Gott. Darin steckt ein großer Ernst: Denn das Gelingen oder Misslingen entscheidet über das soziale Klima. Dies zu erkennen und zu würdigen und sich selbst darin zu üben, steht Christinnen und Christen, Theologinnnen und Theologen in diesen Tagen aus vielerlei Gründen gut an.
Diesen Ernst würdigt auch der Kölner Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani: "Aber die frappante Verständnislosigkeit für alles, was sich aus anderen als diesseitigen Beweggründen herleitet", schrieb er wenige Tage später in einem Text zum Bescheidungsurteil des Kölner Landgerichts, "ist nicht nur ästhetisch verheerend, insofern sie etwa den Zugang zu weiten Teilen der menschlichen, damit auch abendländischen und noch modernen deutschen Kunst- und Literaturgeschichte verbarrikadiert. Die religiöse Unmusikalität, die in der Regel mit einer Unkenntnis der je eigenen Tradition einhergeht, wirft auch für den Zusammenhalt der Gesellschaft gravierende Probleme auf, solange Gott noch nicht allen Bürgern oder Bevölkerungsteilen gleichgültig ist. Denn was gerne Indifferenz genannt wird, ist es ja gerade nicht, sondern häufig höchst fundamentalistisch gegenüber denen, die die Welt nicht so indifferent sehen."
Gibt es neben der Blasphemie als lässiger Attüde oder kalkulierter Spielerei also vielleicht auch ein lässiges Sprechen von und über Gott? Vielleicht sogar auch im Gewand einer kalkulierten Spielerei? Diesen Eindruck hatte man kurzzeitig bei einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz, in der gestern über die erfolgreiche Unterlassungsklage des Papstes gegen die Zeitschrift "Titanic" berichtet wurde und die mit der (inzwischen geänderten) Überschrift "Titanic mit Papstblasphemie darf nicht weiter verbreitet werden" überschrieben war. Die "Papstblasphemie" wurde nun zur "Papstverunglimpfung". Mancher mag dies als eine zu vernachlässigende Petitesse vor dem Hintergrund einer hektischen Nachrichtenlage entschuldigen. Das mag sogar stimmen, wer weiß das schon? Wer aber mit Kermani und Mosebach möchte, dass Gott nicht allen Bevölkerungsteilen gleichgültig wird; wer darum werben will, dass das Sprechen von und über Gott interessant, anregend, bereichernd und, ja, hoffnungsvoll ist und wem gerade das kultivierte Sprechen von und über Gott ein Anliegen ist, der muss dies behutsam und sehr aufmerksam tun. Und sich vor allem im klaren darüber sein, wovon er spricht.
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