Donnerstag, 17. März 2011

Erbarmen mit Erbarmungslosen?

Die sieben leiblichen Gaben der Barmherzigkeit, aufgeschrieben bei Mt 25, 31-46 war der Evangeliumstext des Eröffnungsgottesdienstes der Deutschen Bischofskonferenz in Paderborn. Der begann mit einem Bußakt der Bischöfe angesichts der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, deren Aufdeckung vor über einem Jahr begonnen hatte. Ohne Erbarmen gebe es keine Zukunft, sagte Erzbischof Robert Zollitsch in seiner Predigt : "Das Evangelium bekräftigt diesen Zusammenhang für das gesamte Lebensschicksal eines Menschen: Der Erbarmungslose findet sich auf der linken Seite wieder. Der Herr führt nur die in sein ewiges Reich, die Speise und Trank gaben, Unterkunft gewährt, Kleidung gegeben und sich um Kranke und Gefangene gekümmert haben. Wer das nicht tat, hat – so müssen wir zunächst feststellen – seinen Ort zur Linken des Königs und hat seine Zukunft verwirkt. Ohne Erbarmen gibt es keine Zukunft." Jesus selbst finde man bei denen, die Erbarmen benötigten: "Diese Identifizierung des Herrn mit dem Bedürftigen schafft eine ganz außerordentliche Antwort auf die religiöse Grundfrage: „Wo ist Gott?“ Gott ist, wo der Mensch Erbarmen braucht."

Gott ist also dort, wo Menschen Not leiden und Erbarmen brauchen. Und mehr: Wer sie anschaut schaut Gott selbst ins Angesicht.

Nun kann man in der Auslegung der Stelle, wie Erzbischof Zollitsch sie vornahm, einen blinden Fleck entdecken, dem der Vorsitzende der DBK nicht ausgewichen ist, vielleicht angesichts der Heterogenität der Konferenz auch nicht ausweichen wollte oder konnte. Was nämlich ist mit denen, die erbarmungslos waren? Im Text ist es klar: Sie bleiben draußen. Auch wenn Zollitsch darauf hinweist: zunächst. Was sonst mit ihnen geschieht, spielt in der Geschichte keine Rolle. Zollitsch aber stellt genau diese Frage in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Und dadurch scheint er, indem er den Text auf die Missbrauchsverbrechen bezieht, Opfer und Täter in ihrer Erbarmungswürdigkeit auf eine Stufe zu stellen. Zwar schränkt Zollitsch ein: "Es ist uns nur allzu klar zu Bewusstsein gekommen, dass diese Schuld niemals ungeschehen gemacht und auch nicht entschädigt werden kann. Es sind nur Zeichen der Reue und die Bitte um Verzeihen möglich." Um jedoch fortzufahren: "Das Entscheidende ist das Erbarmen mit dem Schuldigen und das Verzeihen. Die aber sind für Menschen oftmals kaum möglich. Sie überfordern sie. Aber, wo sie gewährt werden, ereignet sich Göttliches."

Man kann theologisch ja vielleicht tatsächlich so zu argumentieren versuchen. Doch muss es sich für Missbrauchsopfer so anhören, als machten sie sich schuldig oder verweigerten sich der Versöhnung, wo ihnen Erbarmen nicht möglich ist. So verfestigt sich der Eindruck, dass es den Bischöfen zunächst um die Täter geht und nicht um die, gegenüber denen erbarmungslos gehandelt wurde. "Allmächtiger, barmherziger Gott, du willst alles auf Erden und im Himmel zu Christus führen", beteten die Bischöfe beim Bußakt. "Hilf uns, das Werk seiner Versöhnung anzunehmen, damit die Schatten der Vergangenheit uns nicht gefangen halten." So scheinen es also nach dieser Lesart die Opfer zu sein, die dafür zu sorgen haben, dass sich der Schatten der Vergangenheit in der Kirche und bei den Tätern verflüchtigt: Indem sie den Erbarmungslosen ihrerseits Erbarmen schenken und also "Göttliches" tun. Und andernfalls  Gottes Heilswerk verhindern.

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