Mittwoch, 2. März 2011

Abgrenzung statt Mitteilung?

Exklusion oder Inklusion? Geht es in der Theologie primär um Abgrenzung durch ideologisch-dogmatische Festlegung? Hermann Häring jedenfalls beschäftigt sich in seinem aktuellen Buch "Freiheit im Haus des Herrn" erneut mit einer in seinen Augen verhängnisvollen Verbindung, die die Theologie mit der griechischen Philosophie eingegangen ist. Eine Verbindung, die ja auch - nach Häring tragischerweise - die Grundlage der Ratzingerischen Theologie bildet: "Das hellenistische, bald altkirchliche Denken hat wohl deshalb eine starke, über Jahrhunderte andauernde Wirkung erzielt, weil es auf die Überzeitlichkeit der Wahrheit abhebt." Die Griechen interessierte nicht die Welt, sondern sie betrachteten die überzeitliche geistige Idee als das Entscheidende. "Allerdings hat die Kirche dafür einen hohen Preis bezahlt", so Häring. "Die Geschichte verblasst als etwas Unstetes und Vergängliches. Gesucht wir die reine Jenseitigkeit Gottes, die Geistigkeit der menschlichen Seele, das überirdische Wesen Jesu, das himmlische Ziel allen Heils."

Dieses Denken, dieses Misstrauen gegenüber der Geschichte habe auch die Bedeutung der Heiligen Schrift katholischerseits relativiert. Ist die Bibel ein Instrument ideologischer Abgrenzung oder ein wirkmächtiges Medium göttlicher Mitteiling? Für Häring ist die Sache klar: Eigentlich folgten zum Beispiel die Evangelien "einer anderen, höchst elementaren und heute noch lebensnahen Rationalität. Sie teilen mit, überliefern Informationen, die uns unser eigenes Denkvermögen nicht vermitteln kann. Sie wirken deswegen dynamisch und offen. In ihnen geschieht immer Unerwartetes, oft auch Zufälliges. (...) Sie sind geradezu von einer Unlust getragen, Gott, den Messias oder den Geist in ihrem Wesen fest zu umzirkeln. Mal geht Jesus auf Menschen zu, ein anderes Mal zieht er sich zurück, mal schläft er, ein anderes Mal schlafen zu seiner großen Enttäuschung die anderen. (...) Die Verführung der Schrift liegt gerade nicht in der Verfügbarkeit ihrer Inhalte (...)." Die Theologie bringe "Denkprodukte" hervor anstatt elementare Erzählungen zuzulassen. Daher habe die hellenistische Denkform "die Kultur des Erzählens zu einem gehorsamen Haustier gemacht. Man schafft die Schrift nicht ab, macht sie sich aber verfügbar. Die Evangelien geraten zum Erzählmaterial für die Kleinen oder zur eingängigen Illustration der eigentlichen Wahrheit, die sich nur Theologen erschließt." Das Bündnis der Theologie mit der griechischen Philosophie sei ihr eigentlicher und letztgültiger Inkulturationsprozess gewesen, der die modernen und postmodernen Inkulturationsprozesse blockieren solle. Nach Ratzinger sind sie überflüssig: "Jetzt sollen sie alle Griechen werden, die Christen Europas und Afrikas, Asiens und Lateinamerikas", so Häring. "Wer etwa die offizielle Lehre von Jesus Christus oder von der Trinität wirklich verstehen will, muss erst die Kategorien Platons und Aristoteles´ kennen." Nach Häring müsse sich die Kirche von der durch die Hellenisierung verursachte Dogmatisierung trennen. An dieser Frage entscheide sich jedenfalls, ob die Kirche "immer als Fremdkörper agieren wird. Es entscheidet sich ferner die Frage, ob sie sich in der westlichen Kultur weiterhin in eine Ecke manövriert, statt zu einer neuen und helfenden Gesprächspartnerin in einer hoch gefährdeten Zeit zu werden."

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