Mittwoch, 19. Januar 2011

Bischöfe, keine Polizisten

In Irland sorgt in diesen Tagen eine brisante Fernsehdokumentation für Diskussionen. Sie bringt nämlich den Vatikan im Zusammenhang mit Fällen von Kindesmissbrauch unter Druck. Eine Sendung von Irlands öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalt RTE, die am Montagabend ausgestrahlt wurde, beschreibt nämlich, wie der Vatikan die Bemühungen der irischen Bischöfe um eine Klärung der Missbrauchsfälle in ihren Gemeinden systematisch boykottiert habe.

Im Film geht es unter anderem um den Fall des Priesters Tony Walsh, der 1992 von einem Kirchentribunal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und aus dem Amt entfernt wurde. Walsh ging jedoch beim Vatikan dagegen vor. Und in der Zwischenzeit, in der Rom beraten habe, habe er sein Priesteramt weiter ausgeübt und ein weiteres Kind missbraucht. Der Vatikan bestätigte nach einigen Jahren das Urteil, änderte die Strafe jedoch in einen zehnjährigen Klosteraufenthalt, nach Einschätzung der Autoren des Films ein Affront gegen den damaligen Primas von Irland, Desmond Connell, auf dessen Initiative das Tribunal eingerichtet worden war.

Als Reaktion auf Verbrechen von Walsh und anderen Priestern stellte die Irische Bischofskonferenz 1996 neue Richtlinien zum Schutz von Kindern auf. Danach sollte jeder ernsthafte Missbrauchsverdacht gegen Priester automatisch der Polizei gemeldet werden. Kurz nach der Veröffentlichung der neuen Bestimmungen, so heißt es im Bericht, kam erneut Widerstand aus Rom. In einem vertraulichen Brief, der den Machern der Dokumentation vorliege, habe man unmissverständlich klar gemacht, dass der Vatikan die Richtlinien nicht akzeptiere. Falls die Bischöfe sie anwendeten, werde man sich auf die Seite des beschuldigten Priesters stellen, wenn dieser sich an den Vatikan wende. Ein irischer Bischof, der namentlich nicht genannt wurde, soll als Reaktion darauf von „einem Mandat zur Vertuschung“ gesprochen und sogar mit seinem Rücktritt gedroht haben.

„Ich glaube nicht, dass man damals im Vatikan akzeptierte, dass es hier auch um Kriminalität ging“, sagt der irische Bischof Michael Smith.  „Man sah Missbrauch immer noch als moralische Angelegenheit, die nur den Priester und seinen Bischof anging und nicht als kriminelle Aktivität, die weitreichende Auswirkungen hatte nicht nur für das Kind, sondern auch dessen Familie. Das ist eine große Wunde im Leben der Kirche.“ 

Nun hat Papst Benedikt im März 2010 einen Hirtenbrief an die irischen Katholiken geschrieben. Darin verurteilte er die dortigen Bischöfe scharf für den Umgang mit der Missbrauchskrise und kritisierte sie besonders für die Missachtung der Rechte der Opfer kritisiert. Nun sieht sich der Vatikan den Vorwürfen selbst ausgesetzt.

Der Film befasst sich auch ausführlich mit dem Umgang von Kardinal Joseph Ratzinger, dem späteren Papst  mit der Missbrauchskrise. Schon früh habe er auch gegen Widerstand anderer wie zum Beispiel Kardinal Hoyos auf ein koordiniertes Vorgehen gedrängt. Andererseits habe er sich auch in vielen Fällen auf die Seite der Beschuldigten gestellt und dafür gesorgt, dass laufende innerkirchliche Verfahren ausgesetzt wurden. Damit, so der Tenor der Sendung, habe sich der spätere Papst selbst nicht an jene Vorgaben gehalten, die er in dem Hirtenbrief an die irischen Bischöfe richtete. Bevor der Vatikan nicht eingestehe, „dass es gerade die Struktur dieser Institution ist, die zu diesem Problem beigetragen hat, wird eine Erneuerung der katholischen Kirche nur sehr schwer zu erreichen sein“. Der irische Opfervertreter Bryan Maguire sagt: „Wir haben es hier mit einem ganzen System zu tun, das den Missbrauch erst ermöglicht hat. Wir wollen, dass sich die Kirche selbst im Spiegel anschaut und nicht das Problem auf die lokale Ebene abschiebt.“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen