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Donnerstag, 5. August 2021

Am Anfang war mal das Wort

Screenshot: Peter Otten
Das Erzbistum Köln möchte nicht mehr länger sieben Vertragsbüchereien mitfnanzieren. Das finanzielle Risiko sei zu groß, heißt es. Ich finde diese Haltung verhängnisvoll. War nicht am Anfang von allem das Wort? Und eine Kirche, die nur noch sät, wo sie mit Sicherheit erntet - wofür ist sie noch gut?

Von Peter Otten

Vor ein paar Jahren habe ich einen Schrifsteller beerdigt. Sein Lebensgefährte erzählte beeindruckend von dem langen Weg, den er zurück gelegt hatte, bis er sich traute, Zeit in seine Berufung zu investieren. Er berichtete von der Leidenschaft des Verstorbenen für das Wort. Für Wörter, Sätze und Bilder. Fürs Schreiben. Für das Erfinden von Geschichten.

Damals habe ich im Gottesdienst den Johannesprolog gelesen: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott." In dem Gespräch mit dem Lebensgefährten des Schriftstellers hatte sich mir nämlich die Kraft dieses Gedankens neu erschlossen. Alles beginnt mit einem Wort, so dachte ich auf einmal. Alles beginnt damit, dass ein Gedanke, ein Wort, ein Satz, ein Bild losgelassen wird. Die erste Perle einer Geschichte. Verborgen darin die Haltung, das, was in mir ist nicht festzuhalten, sondern freizugeben, damit es woanders wieder neue Verbindungen schafft. Am Anfang der Lebendigkeit steht also das Wort. Das war das Thema des Verstorbenen gewesen, um das er lange gerungen hatte. Das ist aber auch der Pulsschlag dessen, was wir Offenbarung Gottes nennen. Das Offenbarwerden des Heils Gottes ist ohne die Erzählung, ohne das Erzählen nicht denkbar.

 

Daran habe ich denken müssen, als das Erzbistum Köln im Juni meldete, bis Ende 2023 seine finanzielle Förderung von sieben Vertrags­büchereien einzustellen. Vertragsbüchereien werden in Kooperation mit der jeweiligen Kommune betrieben. Sie unterscheiden sich zu den ehrenamtlich geführten Pfarrbüchereien beispielsweise dadurch, dass beide Träger Personalkosten aufbringen, die Bibliotheken hauptamtlich geleitet werden dadurch ein umfassendes kulturelles Programm anbieten und oft auch einen großen Pool ehrenamtlich Mitarbeitender haben. Die Entscheidung sei das Ergebnis einer intensiven Analyse und ausführlicher Beratungen. Mit wem man sich beraten habe wird nicht gesagt. Spricht man mit Menschen, die in diesen Büchereien arbeiten sagen die, mit ihnen jedenfalls nicht. Ein Fall von Partizipationssimulation. Und so heißt es in der Pressemitteilung des Bistums denn auch, Vertreter der Pfarrgemeinden und Mitarbeitende seien über die Hintergründe und die nun anstehenden nächsten Schrite "informiert" worden. Neben den Verhandlungen mit den Kommunen, ob sie die Trägerschaft von den Kirchen­gemeinden übernehmen, könnten auch alternative Finanzierungs­modelle entwickelt werden, regt das Erzbistum an. Auch bestehende Vertrags­büchereien in ehrenamtlich geführte Büchereien umzuwandeln, könne eine Option sein.

"Ein kleines Kulturzentrum" sei die Bücherei in Stommeln, hat ihre Leiterin Anette Göhler gesagt. Auch ihr Haus ist von den Einsparmaßnahmen betroffen. Neben ihr arbeitet noch eine Teilzeitkraft hauptamtlich, dazu noch ein Team von 25 Ehrenamtlichen. Aber die Ehrenamtlichen seien nicht bereit, ohne eine professionelle hauptamtliche Leitung weiterzuarbeiten. Die Bücherei sei für viele Besucher „der einzige positive Kontakt zur Kirche“. Viele Kinder nutzten die Einrichtung, für Senioren sei sie ein wichtiger Kontakt. 310000 Euro kosten die sieben Büchereien das Erzbistum jedes Jahr, für Stommeln ist das ein Betrag von 24000 Euro.

Am Anfang war das Wort. Am Anfang steht ein Buch im Regal, das kannst du dir mitnehmen. So ging es los in Stommeln, Rheinbach, Alfter, Overath und auch in Kürten, wo ich herkomme. Die Bücherei im Keller der Kirche gabs schon, als ich eine Schultüte trug. Es geht immer los mit einem Wort. Und Generationen von Menschen haben dort lesen gelernt, haben begonnen, Bücher zu verschlingen, haben an sich selbst beglückt erfahren, wie ein einziges Wort, das irgendwann mal den Anfang gemacht hat zur Offenbarung für das ganze Leben geworden ist.
 

Rund um den Kölner Dom kannst du bald keine Bibel mehr kaufen. In der ehemaligen Buchhandlung Kösel ist die Stelle für geistliche Berufungen untergebracht, nachdem die Polizei dort wieder ausgezogen ist. Wie viele Berufungen hat es wohl in dieser Buchhandlung gegeben, wenn Menschen gedankenverloren nach einem Buch gegriffen haben? Noch gibt es eine Buchhandlung im Bahnhof, aber wohl nicht mehr lange. In Kürten gab es jahrzehnelang gar keine Buchhandlung. Unter der Kirche aber standen die Kinderbibeln, gleichsam wie ein Fundament, auf dem der steinerne Rest aufruht.

Wenn es gut geht wird hier und da die Bürgergesellschaft einspringen und die eine oder andere Schließung verhindern. Oder die Kommune wird die finanzielle Lücke schließen. Kirchlicherseits bleibt wie immer der Verweis auf ehrenamtliches Engagement. "So bleibt insbesondere das Angebot eines kosten­losen, freien Zugangs zu Medien – gerade in sozialschwachen Gebieten – durch die rund 360 ehrenamtlich geführten KÖBs erhalten" beeilt man sich zu versichern.

Was aber am meisten irritiert ist die Begründung für den finanziellen Rückzug: "Aufgrund schwindender Finanzkraft der Kommunen stellen die Vertrags­büchereien für die Kirchen­gemeinden schon seit längerem ein zunehmend schwer kalkulierbares finanzielles Risiko dar"schreibt das Erzbistum in seiner Presserklärung. "Bereits jetzt sind sie nicht mehr auskömmlich finanziert, unter anderem auch deshalb, weil sich einige Kommunen mit Blick auf die eigenen Sparzwänge aus der ursprünglichen Vereinbarung zur Bezuschussung der Vertrags­büchereien herausgezogen haben." Hat sich der Staat nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie bis zur Halskrause verschuldet, auch deswegen, damit das wirtschaftliche und soziale Leben weitergehen kann und damit auch kirchliche Arbeitsplätze beispielsweise durch Kurzarbeitergeld erhalten wurden? Wird ihm seine Fürsorge nun quasi zum Verhängnis?

Es geht mir nicht darum zu bezweifeln, dass auch die Kirche ihre finanziellen Mittel klug einsetzen muss. Es geht aber auch um eine Haltung, die hier (übrigens auch im sozialen Sektor) zunehmend deutlich wird. Es ist jedenfalls nicht die, die ansonsten häufig fromm bepredigt wird: die des Sämanns, der mit vollen Händen sein Saatgut verstreut, in die Dornen, in die Steine, auf den Acker. Sondern eher die des Manns von der Hamburg Mannheimer Versicherung.

Alles beginnt mit einem Wort. Das ist der Pulsschlag der Heilsoffenbarung. Professionell geführte Büchereien bezeugen das, ohne viel Federlesens. Was dann an Segen beginnt - auch das zeigen sie, wie in Stommeln oder Kürten. Es ist niedrigschwellige und dazu noch günstige Pastoral. Diese Kooperationen zwischen Kirche und Kommune sind zudem auch starke Signale an eine säkulare Gesellschaft: Wir lassen euch nicht nur nicht im Stich. Wir säen sogar, wo wir nicht ernten. Das wäre die frohe Botschaft, die die Welt so dringend braucht. Hingegen eine ängstliche Kirche auf dem Rückzug - was soll sie noch? Die Welt jedenfalls hat darauf ihre Antwort gefunden.

1 Kommentar:

  1. Große und teure Kirchengebäude sind überflüssig. Kleine kirchliche Gemeindezentren genügen. Die Eucharistie ist überflüssig. Die Charismatische Erneuerung muss gefördert werden. Der Theismus muss durch den Pantheismus ersetzt werden. Mehr dazu auf meiner Internetseite (bitte auf meinen Nick-Namen klicken).

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