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Sonntag, 24. Februar 2019

Zehn lange Abende

Kardinal Kasper widerspricht Kardinal Müller. Solche Schlagzeilen liest der liberale Katholik gern. Aber ist der Widerspruch wirklich so groß?

von Norbert Bauer


Screenshot Norbert Bauer

Wenn die Kardinäle Brandmüller, Müller und Burke mit ihren Manifesten und Briefen wieder für Verwirrung sorgen, hofft der liberale Katholik darauf, dass Kardinal Kasper mit einer Klarstellung die katholische Ordnung wieder herstellt. Seit Jahren gelingt es dem Ökumeneexperten mit dem Airbag namens „Barmherzigkeit“ die heftigsten Zusammenstöße mit dem katholischen Kirchenrecht und der Dogmatik abzufedern. Auch ich habe mich erleichtert gezeigt, als Kardinal Kasper letzte Woche das Glaubensmanifest seines Kollegen Müllers kritisierte und mit ihm das freundliche Gesicht des Katholizismus um die Ecke schaute.
Mit seinem Interview in der März-Ausgabe der Herder Korrespondenz beweist er aber nun, dass die katholische Weite unter den Bischöfen doch eher eine enge Gasse ist:
"Selbstverständlich stimme ich in den theologischen Grundaussagen mit Kardinal Müller überein.“ Es geht Kasper offenbar nicht um den Inhalt des Manifestes, sondern um den Stil. Was ihn stört, ist die „schneidende Sprache“. Während Müller zum Schwert greift, will Kasper die katholische Lehre lieber mit einem Wattebausch verteidigen. Wie nah sich die beiden Kardinäle denn doch sind, zeigt eine Interviewpassage, in der er die Ehevorbereitungspraxis in Deutschland kritisiert. „In Deutschland sind das zwei bis drei Abende, da werden die Formalitäten geklärt und der Ablauf der Hochzeitsfeier besprochen, und das war es dann meist auch. Hier in Rom kenne ich Gemeinden, wo der Pfarrer mindestens zehn Abende lang mit den jungen Leuten zusammensitzt. Da geht es dann nicht nur um die Hochzeit, nicht nur um die Ehe, sondern darum, was das eigentlich heißt, Christ zu sein, was es heißt, sein Kind taufen zu lassen und so weiter. Dabei entstehen dann auch Netzwerke unter den Gleichaltrigen, die wiederum eine Gemeinde prägen und festigen können. In Deutschland sehe ich von solchen Dingen nichts oder sehr wenig. Da redet man entweder über Gemeindereformen oder über Missbrauch. Okay, beides sind wichtige Themen. Aber sie sind nicht der Punkt. Wir müssen den Menschen helfen, den Sinn ihres Lebens zu finden! Von Christus her! Das ist die Grundaufgabe. Wenn wir es schaffen, dieses Feuer wieder aus der Asche hervorzuholen, dann kommt vieles andere von selbst.“
Abgesehen davon, dass  Scheidungen auch in Italien boomen und mal wieder die Kirche in Deutschland als Blaupause für Glaubensschwäche dienen muss,  offenbaren diese Zeilen komprimiert, dass auch für einen Kardinal Kasper das katholische Lehramt weiterhin unerschüttert ist. Jahrzehntlange haben Bischöfe sich am Verbrechen sexualisierter Gewalt beteiligt, oder Strafhandlungen vertuscht und somit weiter ermöglicht. Aber Kardinal Kasper nervt es, dass in Deutschland vor allem über dieses Thema gesprochen wird. Ist ja auch wirklich ärgerlich, wenn Katholiken selbst bestimmen, welche Themen ihnen wichtig sind und worüber sie gerne reden wollen. Dabei könnte alles wieder so gut sein. Man müsste sich nur auf die Punkte einlassen, die für Kardinal Kasper entscheidend sind: Die Menschen müssen sich von der Kirche dabei helfen lassen, den Sinn des Lebens zu finden. Die jungen Menschen fangen am Besten damit an, sich mindestens zehn Abende lang von einem Priester den Sinn der Ehe erklären zu lassen. Dass erwachsene Katholiken, die sich lieben und deswegen heiraten wollen, selbst eine Idee von Ehe haben, ist nicht vorgesehen. Was wurde in den letzten Monaten gerade auch von Klerikern der Klerikalismus beklagt. Aber wirklich ändern an der lehramtlichen Vormachtstellung soll sich nichts. Weiterhin Wissensvorsprung durch Weihe. Vielleicht könnte das katholische Modell einfach mal auf den Kopf gestellt werden. Ein möglicher Anfang: Priesteramtskandidaten lassen sich mindestens zehn Abende lang von Ehepaaren den Sinn des Zölibats und des Lebens erläutern. Hilfreich für diese Versuchsanordnung wäre es aber, wenn der ein oder andere Ehemann mit sportlichem Talent dabei wäre. Denn Kardinal Kasper erinnert sich gerne an seine Jugend: „Wir hatten einen Kaplan, der konnte toll Fußball spielen. Da haben wir ihm den Rest auch geglaubt.“ Heute können sogar Frauen gut Fußball spielen. Aber da wären wir fast schon wieder bei einem Thema, worüber Bischöfe nicht so gerne reden.

1 Kommentar:

  1. Wenn schon Kardinal Kasper seinem 'Amtsbruder' nicht enschieden in die Parade fährt ...

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