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Freitag, 28. September 2018

Hirtensorge

Foto: Norbert Bauer
Die Bischöfe wollen sich den Betroffenen sexualisierter Gewalt zuwenden. Die Sorge um die Kirche darf dabei aber natürlich nicht aus dem Blick geraten.

Norbert Bauer

Ein Konveniat dient laut Amtsblatt dem „Miteinander der Kleriker und Laien im pastoralen Dienst.“ Das letzte Mal habe ich ein Konveniat 2010 besucht. Einige Tage zuvor wurde der jahrelange Missbrauch am Aloisius-Kolleg bekannt. Ein anwesender Jesuitenpater berichtete eindrücklich vom Ausmaß dieser Taten und was dies für seinen Orden bedeutet. Ich erinnere mich noch an seine Worte: „Wir Jesuiten sind die Täter.“ Nach seinem langen Statement herrschte erst einmal Schweigen. Bis ein anwesender Prälat fragte, ob das denn wirklich alles so stimme? Und schnell kippte die Stimmung. Die vermeintlichen Opfer wollten mit ihren Geschichten doch nur Geld machen. Und natürlich der Kirche schaden. Nach diesen Aussagen war für mich klar, dass ich an solch gemeinschaftsbildenden Maßnahmen nicht mehr teilnehmen wollte.
Acht Jahre später veröffentlicht die DBK  die Ergebnisse des Forschungsprojekts „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (MHG-Studie). Ich bin mir nicht sicher, ob bei der ein oder anderen frommen Zusammenkunft nicht weiterhin solche Dynamiken wie bei meinem letzten Konveniat zu erleben sind. Die Predigten bei der gerade zu Ende gegangenen Herbstkonferenz vermitteln jedenfalls eine andere Haltung. Klagelieder über die klerikalen Strukturen werden im Wechsel mit kollektiven Bußgesängen in den unterschiedlichsten Tonarten angestimmt. 
Vor allem sollen aber die Opfer noch intensiver in Blick genommen werden. Dabei darf aber die Kirche natürlich nicht vergessen werden und daher nimmt die Hirtensorge um ihre Kirche in den bischöflichen Predigten großen Raum ein.  „Der Herr verlässt die Kirche nicht“ ist Kardinal Marx sich in seiner Auftaktpredigt sicher. Erzbischof Schick greift diese Gewissheit auf: „Die Kirche wird nicht untergehen bis zum Ende der Zeit. Das hat uns Jesus Christus zugesagt.“ Als Beleg nennt Bischof Schick Mt 28, 20: „Ich bin bei Euch alle Tage, bis zum Ende der Welt.“ Dabei spricht Jesus gar nicht von Kirche. Aber offensichtlich ist dem Bischof klar, dass Jesus hier nur die Kirche gemeint haben kann. 
Der Bischof von Fulda macht es seiner Kirche aber nicht zu leicht. „Christus schickt die Kirche ins Fegefeuer, damit sie sich reinigt und heiligt.“ Das klingt wie Jogi Löw, der nach der WM die Arroganz des Ballbesitzfußballs ähnlich anprangerte wie die Bischöfe neuerdings den Klerikalismus. Für den Trainer ist aber klar, dass nach dem Desaster in Russland die Mannschaft mit neuem Teamgeist zurückkommt. Wie die Bischöfe: „Nötig ist ein neues Miteinander in der Kirche.“ 

Was wäre eigentlich gewesen, wenn die Bischöfe mal die selbstreferentielle Sorge um die Kirche außer Acht gelassen hätten? Was wäre gewesen wenn sie auf ihre Christusgewissheit als Durchhalteparole verzichtet hätten.  Wie wäre es gewesen, wenn Bischof Schick Mt 28.20 nicht auf die Kirche bezogen hätte, sondern mit aller Vorsicht die Hoffnung formuliert hätte, dass diese Zusage Jesu in diesen Tagen den Opfern zunächst gelte und eben nicht der Kirche. Was wäre gewesen, wenn er nicht vom Fegefeuer der Kirche, sondern von der Hölle der Opfer gesprochen hätte ? Vielleicht wäre der von Kardinal Marx fixierte Wendepunkt auch in den Predigten erkennbar gewesen.

4 Kommentare:

  1. Ich halte das für einen problematischen Gedanken. Natürlich sind die Opfer ebenso Kirche wie die Bischöfe. In Hinblick auf das Leid, das auch unserem Herrn ergangen ist, sind sie es sicherlich viel mehr. Wir Laien müssen viel selbstbewusster Kirche leben und gegen verbrecherische Geistliche aufstehen, notfalls auch im Gottesdienst. Wir sind Kirche!

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    1. "Natürlich sind die Opfer ebenso Kirche wie die Bischöfe" schreiben Sie. Ich kenne Opfer, die sich vehement dagegen wehren, Kirche zu sein. Die mit Kirche auch nichts mehr zu tun haben wollen. Deswegen können sie nie automatisch mit gemeint sein. Und wenn ich Bischof Schick richtig verstanden habe, hat er bei seiner Rede von Kirche auch nicht die Opfer im Blick. Er wird er nicht ernsthaft meinen, dass die Opfer jetzt im Fegefeuer gereinigt werden müssen.

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  2. Die Bischöfe wollen sich den Betroffenen sexualisierter Gewalt zuwenden. Das wurde doch schon 2010 versprochen.

    Mit Wut im Bauch habe ich die letzten Tage erlebt, das geheuchelte Erschrecken, die Betroffenheitsrhetorik, die Krokodilstränen von Marx, Ackermann & Co.

    Als Überlebender sexueller Gewalt wird mir bis heute die Verantwortung der Institution verweigert. Verantwortlich sei allein der Täter.

    In den letzten 8 Jahren erlebte ich meinen zweiten Missbrauch durch eine Zermürbungstaktik von Vertretern einer Institution, die vor Arroganz, Selbstgefälligkeit und Ignoranz nur so strotzt. Ich fühle mich aus der Kirche ausgeschlossen, ein Nestbeschmutzer.

    Eine Täterorganisation, in der systematisch Taten an Kindern jahrzehntelang durchgeführt und systematisch vertuscht und beschwichtigt wurden, in der Verbrecher an neue Tatorte versetzt werden, in der Akten verschwinden oder manipuliert werden, darf alleine herumwurschteln, um das aufzuklären? Perfide, dass man es hier mit einer Täterorganisation zu tun hat, die "Moralansprüche" an die alleroberste Stelle ihres Handelns setzt und alle Beteiligten und Betroffenen in Sack und Asche argumentiert, die dieser Scheinmoral nicht folgen.
    Es ist endlich an der Zeit, dass die Ermittlungsbehörden und Staatsanwaltschaften tätig werden!!!

    Denn wenn man das butterweiche 7-Punkte-Programm liest. So wird sich nichts ändern.

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  3. Genau das meine ich! Diese Täter und Strukturen schließen aus der Kirche aus. Nicht das Opfer-Sein. Wir sollten es uns nicht länger gefallen lassen, dass ein Haufen alter Männer uns erklärt, was Evangelium bzw Kirche bedeutet. Die Zeit der Laien ist gekommen, diesen Saustall aufzuräumen. Warum fordert niemand, dass alle Bischöfe Deutschlands ihren Rücktritt anbieten, dass nicht Rom, sondern die Gemeinde einen Bischof aussucht, dass Frauen ordiniert werden, dass Homosexuelle getraut werden etc. Warum ist es so ruhig? Warum akzeptieren wir dieses billige bischöfliche Gelabere vom Scham? Warum steht niemand auf??? Wir machen es den Rechtskatholiken so leicht, die Homosexuellen zu beschuldigen und das verbrecherische System einfach weiter zu erhalten. Wer fragt nach der Verantwortung eines Ratzinger, seltsam, in München sind am meisten Akten vernichtet worden. Wer fragt nach der Verantwortung eines Kardinal Müllers? Ist die Kirche in Deutschland schon so tot, dass es keine offene Empörung mehr gibt?

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