Donnerstag, 11. Februar 2016

Behütete Glaubensverwahranstalten?

Über meine kluge Oma, einen kritischen Pfarrer und einen besorgten Bischof

von Norbert Bauer


Meine Oma war Pfarrhaushälterin. Gerne war ich bei ihr zu Besuch. Sie war eine liebenswerte Frau, die Seele des Pfarrhauses. Sie war auch eine selbstbewusste Dame. Bei der ersten Visitation musste der Bischof vergeblich auf den damals noch selbstverständlichen Kuss des Ringes und den demütigen Knicks warten. Für meine Oma war es keine Frage, dass die Frau, die in der Küche kocht, natürlich mit den Herren am Tisch sitzt. Oma Katharina starb vor dreizehn Jahren über 90 jährig. Jetzt ist auch Heribert Hürter gestorben, der Pfarrer, für den sie viele Jahre den Haushalt führte. Bei ihm habe ich zum ersten Mal ein Buch von Hans Küng in der Hand gehabt und „Self Portrait“ von Bob Dylan gehört. Und wenn ich freitags anreiste, wollte er schon mit mir über die neuesten Artikel aus der ZEIT vom Vortrag diskutieren. Heribert Hürter hat auch die Zeitschrift Imprimatur mit gegründet, die seit 47 Jahren eine Möglichkeit bietet, „Missstände in der Kirche sowie naive Theologien kritisch darzustellen und dies in einer Zeitschrift zu publizieren.“ Zusammen mit den anderen Herausgebern war Heribert Hürter der Überzeugung, „dass die Erkenntnis und Diskussion von Fehlentwicklungen die grundlegende Voraussetzung für notwendige Korrekturen sind; solange Missstände unter den Teppich gekehrt werden, bleibt alles beim Alten.“

Imprimatur ist ein Dokument der Selbstermächtigung innerhalb der Kirche. Hier konnten Beiträge veröffentlicht werden, für die die Autoren an anderer Stelle von bischöflichen Behörden eben keine Druckerlaubnis erhalten haben. Ich bin sicher, auch die zahlreichen Gespräche und Diskussionen in diesem Pfarrhaus, haben mich motiviert, Theologie zu studieren. Hier habe ich erleben können, dass kirchliche Orte zum freien und kritischen Denken einladen.
Am selben Tag, an dem Pfarrer Heribert Hürter starb, veröffentlichte Bischof Oster auf seiner Facebook-Seite einen Beitrag, in dem sich der Christian Lindner des deutschen Episkopats um die Theologie an den deutschen Universitäten sorgt. Oster kritisiert in seinem Eintrag, der sich zumindest in katholischen Kreisen zu einem viralen Hit entwickelt hat, vor allem die Uneinigkeit unter den deutschen Theologen. Schon verwunderlich, dass gerade der Bischof, der sich zusammen mit seinen bayrischen Amtsbrüdern Voderholzer und Hanke gerne gegen die Mehrheit der Bischofskonferenz stellt, die Mehrstimmigkeit der deutschen Universitätstheologen anprangert. Noch verwunderlicher ist aber, dass er mit seiner Kritik weit hinter Immanuel Kant zurückfällt. Während der Philosoph aus Königsberg dazu ermutigt, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, kritisiert der Bischof aus Passau, dass die „überwiegende Mehrzahl der Dozierenden es daher auch weitgehend den Studierenden überlassen haben, wie sie all die verschiedenen „Ergebnisse“ (?) in eine einigermaßen einheitliche theologisches Gesamterfahrung für sich selbst integrieren konnten.“ Das geht natürlich zu weit, dass dreihundert Jahren nach der Aufklärung Studierende an staatlich finanzierten katholischen Fakultäten sich zu unterschiedlichen Forschungsergebnissen selbst positionieren sollen, also eigenständig denken müssen. Genau das, was mich bewog, Theologie zu studieren, gerät 2016 bei einem deutschen Bischof unter Generalverdacht, der die Fakultäten wohl lieber als behütete Glaubensverwahranstalten einzäunen möchte.
Der deutschen Professorenschaft empfiehlt Oster die Evangelisten als Vorbild. Hätte der Theologiestudent Oster im Grundstudium nicht nur den Katechismus zur Hand genommen, sondern auch die biblischen Einleitungswissenschaften gehört, wäre ihm vielleicht aufgegangen, dass es mit der Einigkeit unter den Evangelisten nicht so weit her ist. Noch nicht einmal über die letzten Worte Jesu am Kreuz herrscht bei ihnen Übereinstimmung. Die Gründungsschriften der einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche sind eine Fundgrube pluralistischen Denkens. So was würde das bischöfliche Lehramt heute natürlich nicht mehr zulassen können. Vier unterschiedliche Glaubensdarstellungen stiften doch nur Verwirrung unter den Gläubigen. Wahrscheinlich würde heute nur eins der vier Evangelien eine kirchliche Druckfreigabe bekommen. Die anderen müssten dann bei Imprimatur erschienen.



















1 Kommentar:

  1. Sehr schön geantwortet auf Bischof Oster hat Prof. Höhn hier: http://www.theologie-und-kirche.de/oster-theologie.pdf.

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