Dienstag, 27. Oktober 2015

Déjà vu


Foto: Paul-Georg Meister/pixelio.de
Es funktioniert nicht und ist unehrlich, verbal die Lehre hochzuhalten und praktisch von ihr abzusehen. Ein Kommentar zum Ende der Familiensynode.

Von Norbert Lüdecke 

Ein Papst kann seine absolute (Höchst- und Voll-) Gewalt über die gesamte Kirche jederzeit nach „Gutdünken“ ausüben – so hatte Papst Paul VI. es 1964 die Bischöfe auf dem II. Vatikanum wissen und der Konzilskonstitution über die Kirche sicherheitshalber anfügen lassen. Dünkt es ihm gut, sich beraten zu lassen, fragt er seine Kurienorgane oder persönliche Vertraute, oder er startet eine größere Aktion wie die Bischofssynode. So wie vor genau 35 Jahren, im Oktober 1980, zum Thema „Familie“. Die Bischöfe stimmten am Ende über „Vorschläge“ an den inzwischen Heiligen Johannes Paul II. ab. Um die „pastorale Barmherzigkeit“ aufscheinen zu lassen, baten sie, die Praxis der ostkirchlichen Wiederverheiratung zu berücksichtigen und nach Wegen zu suchen, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen, soweit sie ein Leben führen, dass der Unauflöslichkeit der Ehe nicht widerspricht. Konkreter wurden sie nicht, um offen zu lassen, ob dies auch von einer sexuell gelebten zweiten Partnerschaft gesagt werden könnte.

Freitag, 16. Oktober 2015

Katholischer Markenkern


Das Herrenmagazin Playboy gibt das Alleinstellungsmerkmal „Nacktheit“ auf. Männer im FAZ - Feuilleton sorgen sich angesichts der Familien-Synode um den Markenkern der katholischen Kirche.   

Von Norbert Bauer

Natürlich schütteln manche nachdenklich den Kopf über die Entscheidung des Playboys, ab kommenden März Frauen nur noch bekleidet abzulichten. „If you take nudity out, what‘s left?“ sorgt sich der verantwortliche Herausgeber des Herrenmagazins.

Besorgt sind auch manche Männer bei der FAZ, aber um eine andere männlich dominierte Institution: um die katholische Kirche. Ihre Führungskräfte verhandeln gerade in Rom um ihren vermeintlichen Markenkern: „Der Geschlechtsakt darf ausschließlich in der Ehe stattfinden; außerhalb der Ehe ist er stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der Heiligen Kommunion aus“ (Katechismus der Katholischen Kirche 2390). Was bleibt, wird in der Zeitung angesichts der Synodendebatten fürsorglich gefragt, wenn die Kirche an diesem Prinzip rüttelt?
Feuilletonredakteur Christian Geyer beklagt (nicht zu unrecht) die pastorale Weichspülersprache der deutschsprachigen Synodenväter und formuliert seine Kritik entsprechend komplex: „Was soll man von einer Position halten, welche am liebsten den Pluralismus der Gesellschaft in der eigenen Position abbilden würde, die aber, wenn wissenssoziologische Analysen nicht täuschen, doch nur als eigensinnige, eben nicht-plurale Stimme eine Chance hat, im Orchester der Stimmen gehört zu werden?“ Trotz intensiver Meditation: Ich frage mich weiterhin, was eine „nicht-plurale Stimme“ sein soll? Vielleicht kann mir unser Kantor Auskunft geben. Ich ahne jedoch was Geyer sagen will: ganz im Sinne einer Beraterkultur muss die Kirche Dinge sagen, die sie von allen anderen unterscheidet. In Sachen Sexualität hat sie da ja einiges zu bieten. Aber muss sich die Kirche einer Unternehmungslogik anschließen, die ihre Markfähigkeit durch Alleinstellungsmerkmale zu verteidigen versucht? Verfällt so eine Kirche nicht der „Augenblicklichkeit des Zeitgeistes“, die Christian Geyer mit seinem Gewährsmann Ratzinger im selben Beitrag ablehnt?
Christian Geyer kritisiert die deutschsprachigen Kardinäle auch deswegen, weil sie alles „Normative, Negative, Anstößige“ aus dem Schlussdokument der Synode auszuklammern versuchen. Aber ist Anstößigkeit schon ein Qualitätsmerkmal kirchlicher Texte?

Mit Texten kennt sich auch Hans Ulrich Gumbrecht aus. Als Professor für Literatur wird er wissen, dass Bücher wie Heinrich Bölls „Ansichten eines Clowns“ oder auch das des aktuellen Preisträgers des Deutschen Buchhandels Frank Witzel mit dem unglaublichen Titel "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" von der Widersprüchlichkeit katholischer Existenz leben. Vielleicht warnt der in Stanford lehrende Gumbrecht deswegen auch in seinem aktuellen FAZ-Blog die Kirche davor, „ihre am deutlichsten aus der Lebenspraxis der Gegenwart ausscherenden Verschreibungen auch offiziell aufzuheben“. Warum auch? „Die liberal-engagierten Katholiken haben ja ohnehin seit Jahrzehnten bestimmte Freiheiten in ihrer privaten Lebensführung mehr oder weniger stillschweigend in Anspruch genommen. Diese bürgerlichen Freiheiten zu theologisch-institutionellen Positionen zu machen, bedeutete, jene Geschlossenheit gegenüber dem fortschreitenden Säkularisierungsprozess aufzugeben, welche wohl die besondere Faszination der katholischen Kirche ausmacht.“ Ja was würde bleiben von der katholischen Kirche, wenn der geschiedene Erzieher einer katholischen Kindertagestätte seine neue Partnerin heiraten könnte, der schwul lebende Priester seine Liebe nicht verstecken müsste und das wiederverheiratete Ehepaar zum Kommunionempfang nicht in eine fremde Gemeinde gehen müsste? Würde diese Kirche wirklich was verlieren, wenn Mitglieder und Mitarbeiter nicht verborgen stillschweigend, sondern selbstverständlich offen ihre Lebensform wählen könnten? „Verlöre die katholische Kirche ihre Sonderstellung als eine auf dem (angeblich) überzeitlichen Wort Gottes ruhende Institution?“

Donnerstag, 8. Oktober 2015

Prophet im Hier und Jetzt


Foto: PalFest/wikipedia.de
Henning Mankell ist gestorben. Mit der Religion tat er sich schwer, zumal mit der institutionellen. Doch auch Christinnen und Christen wird neben Kommissar Wallander auch Mankells Aufrichtigkeit fehlen. Ein Nachruf.

Von Peter Otten

Vor ein paar Tagen ist Henning Mankell gestorben. Er blickte mich an, melancholisch, die schlohweißen Haare wie so oft ein wenig zerzaust und hinten kragenlang, auf dem Nachruf-Bild der Tagesschau. Mankell hatte Lungenkrebs und eine Metastase im Nacken. Dem „Stern“ beschrieb er den Moment, nachdem sein Arzt ihm das alles erzählt hatte: „Meine Frau und ich fuhren mit dem Taxi nach Hause. An einer Kreuzung sah ich ein kleines Mädchen, sechs, sieben Jahre alt, sie hüpfte voller Freude in einer Schneewehe auf und ab. Ich dachte, dass ich so auch oft gehüpft bin. Und dass ich jetzt nicht mehr hüpfe. Dass jetzt nur noch sie hüpft. Dass sich mein Leben gerade fundamental verändert hat, für immer."